Artikel auf Science Alert - Are there Fundamental...
Artikel auf Science Alert - Are there Fundamental...
Liebe Foristen,
Ich habe mal wieder das Internet nach neuen Berichten und Forschungsergebnissen durchforstet und das offenbar zur richtigen Zeit. Hier ist ein brandneuer Artikel, dessen Thema sowohl auf erwaehnter Webseite, aber auch von anderen US-Medien - Forbes, NYT, etc. - aufgenommen wurde. Dieser Artikel ist rein wissenschaftlich gehalten.
https://www.sciencealert.com/here-s-how ... astinators
Die im Artikel erwaehnten Autoren sind unter anderem: Caroline Schlueter und Erhan Genç, beide von der Ruhr-Universitaet Bochum.
Ich wuensche viel Spass bei der Lektuere, wenn auch leider in Englisch, und hoffe auf intensive Diskussionen.
Viele Gruesse,
JavaBohne
Ich habe mal wieder das Internet nach neuen Berichten und Forschungsergebnissen durchforstet und das offenbar zur richtigen Zeit. Hier ist ein brandneuer Artikel, dessen Thema sowohl auf erwaehnter Webseite, aber auch von anderen US-Medien - Forbes, NYT, etc. - aufgenommen wurde. Dieser Artikel ist rein wissenschaftlich gehalten.
https://www.sciencealert.com/here-s-how ... astinators
Die im Artikel erwaehnten Autoren sind unter anderem: Caroline Schlueter und Erhan Genç, beide von der Ruhr-Universitaet Bochum.
Ich wuensche viel Spass bei der Lektuere, wenn auch leider in Englisch, und hoffe auf intensive Diskussionen.
Viele Gruesse,
JavaBohne
Re: Artikel auf Science Alert - Are there Fundamental...
Hallo Foristen,
Hier in diesem Artikel von Forbes, wird die gleiche Studie von Schlueter und Genç aufgenommen und behandelt wie im Eingangspost beschrieben, jedoch mit Loesungsansaetzen (oder doch nur Mutzuspruch?).
https://www.forbes.com/sites/alicegwalt ... 9133ef361d
Interessant ist, dass sich einige Theorien ueber das "Warum prokrastinieren wir?" und das "Koennen wir etwas dagegen tun?" wieder ueber uns zusammenschlagen werden.
Viele Gruesse und viel Spass beim Lesen,
JavaBohne
Hier in diesem Artikel von Forbes, wird die gleiche Studie von Schlueter und Genç aufgenommen und behandelt wie im Eingangspost beschrieben, jedoch mit Loesungsansaetzen (oder doch nur Mutzuspruch?).
https://www.forbes.com/sites/alicegwalt ... 9133ef361d
Interessant ist, dass sich einige Theorien ueber das "Warum prokrastinieren wir?" und das "Koennen wir etwas dagegen tun?" wieder ueber uns zusammenschlagen werden.
Viele Gruesse und viel Spass beim Lesen,
JavaBohne
Re: Artikel auf Science Alert - Are there Fundamental...
Hallo Java,
das ist ein sehr interessanter Artikel und ich finde die Erklärungen sehr plausibel. Es stellt sich mir nur die Frage nach der Henne und dem Ei: Prokrastinieren wir, weil unser Gehirn anders verschaltet ist oder ist diese Verschaltung erst eine Folgeerscheinung des Prokrastinierens? Falls letzteres der Fall sein sollte, ist völlig klar, dass wir das auch wieder rückgängig machen können.
Viele Grüße
Leo
das ist ein sehr interessanter Artikel und ich finde die Erklärungen sehr plausibel. Es stellt sich mir nur die Frage nach der Henne und dem Ei: Prokrastinieren wir, weil unser Gehirn anders verschaltet ist oder ist diese Verschaltung erst eine Folgeerscheinung des Prokrastinierens? Falls letzteres der Fall sein sollte, ist völlig klar, dass wir das auch wieder rückgängig machen können.
Viele Grüße
Leo
Re: Artikel auf Science Alert - Are there Fundamental...
Diese Forschungsergebnisse sprechen ganz klar für die Strategie der kleinen Schritte. Die Schritte müssen so klein sein, dass die Amygdala nicht aktiviert wird.
Viele Grüße
Leo
Viele Grüße
Leo
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Re: Artikel auf Science Alert - Are there Fundamental...
Puh, sehr interessant.
Ich habe den Artikel mit den Lösungsansätzen noch nicht gelesen, das wäre etwas viel auf einmal. Lese ich mir später durch.
Also, ich verstehe es so, mal für mich übersetzt, dass bei vielen der untersuchten prokrastinierenden Personen die Verknüpfung zwischen Mandelkern (Amygdala) und Hirnrinde beeinträchtigt ist. Der Mandelkern steuert Angst und Emotionen. Wenn Prokrastinierer Fehler gemacht haben, bewerten sie die Konsequenzen bei zukünftigen Aktionen zu hoch, sie haben Angst davor. Sie sind ängstlich und besorgt über die Folgen, die ihre Handlungen haben können, und zögern deshalb, zu handeln.
Bei mir persönlich stelle ich das fest z. B. dass ich Angst vor Bewertung anderer Leute habe. Ich mache nicht einfach, sondern stelle mir vor, was andere dann denken. Z. B. hat mein Stiefvater unseren Nachbarn beobachtet, wie er ein Beet angelegt hat, Kommentar ungefähr: Guckt Euch das an, typisch Ingenieur, legt das Beet mit der Wasserwaage an, und andere Kommentare. Ich traue mich nicht, im Garten etwas zu machen, aus Angst vor Beobachtung und Bewertung, ob ich das richtig mache.
Weiteres Beispiel von mir: Ich denke oft, wenn ich jemanden sehe, den ich evtl. kenne oder auch nicht "Warum kenne ich den jetzt nicht, müsste ich den nicht kennen?" Oder wenn jemand etwas erzählt, was ich vielleicht schon gehört habe oder auch nicht, was ja nicht schlimm ist. Ich denke dann aber, das hätte ich doch wissen müssen. Ich vermute, das kommt daher: Meine Mutter hat mir mal erzählt, dass ich von jemandem in der Schule damals gehört habe, dass mein Vater gestorben war. Ich kann mich an die Situation nicht erinnern (konnte ich noch nie, war wohl ein Blackout/Schutzmechanismus). Da habe ich bestimmt gedacht, warum weiß ich das jetzt nicht? Das hätte ich doch wissen müssen. Sie hatte mich aber in die Schule geschickt, weil sie selbst mit der Situation erstmal fertig werden musste, und zufällig hatte ein Nachbarjunge es mitbekommen.
Entschuldigt bitte, dass ich jetzt so viel Persönliches hier geschrieben habe. Das musste wohl einfach mal raus. Aber es passt zu dem Artikel.
Ich habe den Artikel mit den Lösungsansätzen noch nicht gelesen, das wäre etwas viel auf einmal. Lese ich mir später durch.
Also, ich verstehe es so, mal für mich übersetzt, dass bei vielen der untersuchten prokrastinierenden Personen die Verknüpfung zwischen Mandelkern (Amygdala) und Hirnrinde beeinträchtigt ist. Der Mandelkern steuert Angst und Emotionen. Wenn Prokrastinierer Fehler gemacht haben, bewerten sie die Konsequenzen bei zukünftigen Aktionen zu hoch, sie haben Angst davor. Sie sind ängstlich und besorgt über die Folgen, die ihre Handlungen haben können, und zögern deshalb, zu handeln.
Bei mir persönlich stelle ich das fest z. B. dass ich Angst vor Bewertung anderer Leute habe. Ich mache nicht einfach, sondern stelle mir vor, was andere dann denken. Z. B. hat mein Stiefvater unseren Nachbarn beobachtet, wie er ein Beet angelegt hat, Kommentar ungefähr: Guckt Euch das an, typisch Ingenieur, legt das Beet mit der Wasserwaage an, und andere Kommentare. Ich traue mich nicht, im Garten etwas zu machen, aus Angst vor Beobachtung und Bewertung, ob ich das richtig mache.
Weiteres Beispiel von mir: Ich denke oft, wenn ich jemanden sehe, den ich evtl. kenne oder auch nicht "Warum kenne ich den jetzt nicht, müsste ich den nicht kennen?" Oder wenn jemand etwas erzählt, was ich vielleicht schon gehört habe oder auch nicht, was ja nicht schlimm ist. Ich denke dann aber, das hätte ich doch wissen müssen. Ich vermute, das kommt daher: Meine Mutter hat mir mal erzählt, dass ich von jemandem in der Schule damals gehört habe, dass mein Vater gestorben war. Ich kann mich an die Situation nicht erinnern (konnte ich noch nie, war wohl ein Blackout/Schutzmechanismus). Da habe ich bestimmt gedacht, warum weiß ich das jetzt nicht? Das hätte ich doch wissen müssen. Sie hatte mich aber in die Schule geschickt, weil sie selbst mit der Situation erstmal fertig werden musste, und zufällig hatte ein Nachbarjunge es mitbekommen.
Entschuldigt bitte, dass ich jetzt so viel Persönliches hier geschrieben habe. Das musste wohl einfach mal raus. Aber es passt zu dem Artikel.
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Re: Artikel auf Science Alert - Are there Fundamental...
Und die kleinen Schritte haben bei mir funktioniert, Leo. Ich habe nur leider nicht durchgehalten und weitergemacht. Ich muss wieder von vorne anfangen.
Re: Artikel auf Science Alert - Are there Fundamental...
Hallo Leo, liebe Foristen,
ich freue mich, dass dieser Artikel bei euch so grossen positiven Anklang gefunden hat. Ob und in wieweit er den kleinen Schritten - Salamitaktik - entspricht, vorschlaegt oder bestaetigt, und ob sich so die Amygdala ueberlisten laesst, lasse ich fuer den Moment dahingestellt. Es gibt mehrere Interpretationsansaetze.
Fuer mich ist etwas ganz anderes wichtig. Soweit mir bekannt, ist der Prokrastinationsforschung zum ersten Mal ein Teilerfolg gelungen, der die Prokrastination durch klare Ergebnisse belegt. Mit diesen Resultaten als Grundlage genommen, koennen nun Ansaetze entwickelt werden - sei es Therapie oder medikamentoese Loesungen - um uns Leidenden zu helfen.
Viele Gruesse,
JavaBohne
ich freue mich, dass dieser Artikel bei euch so grossen positiven Anklang gefunden hat. Ob und in wieweit er den kleinen Schritten - Salamitaktik - entspricht, vorschlaegt oder bestaetigt, und ob sich so die Amygdala ueberlisten laesst, lasse ich fuer den Moment dahingestellt. Es gibt mehrere Interpretationsansaetze.
Fuer mich ist etwas ganz anderes wichtig. Soweit mir bekannt, ist der Prokrastinationsforschung zum ersten Mal ein Teilerfolg gelungen, der die Prokrastination durch klare Ergebnisse belegt. Mit diesen Resultaten als Grundlage genommen, koennen nun Ansaetze entwickelt werden - sei es Therapie oder medikamentoese Loesungen - um uns Leidenden zu helfen.
Viele Gruesse,
JavaBohne
Re: Artikel auf Science Alert - Are there Fundamental...
Hallo JavaBohne
Danke für diesen, wie ich find ganz wichtigen Hinweis auf diese Studie. Sie bestätigt, dass Prokrastination zumindest in großen Teilen ein Angstsymptom ist, das sich aus dem Angstgedächtnis unseres Gehirns (limbisches System) nährt, und das (erst) dann wirklich verschwindet, wenn es von dieser Quelle wieder getrennt wird. Sie führt uns von der reinen Beschreibung des Phänomens zu den nutzbaren Wegen, es in den Griff zu bekommen.
Prokrastination als Traumafolge
Auch ich halte es für vertretbar und nützlich, die Ursachen für ängstlich aufschiebendes Verhalten einer substanziellen, d.h. organischen Veränderung in bestimmten Gehirnregionen zuzuschreiben, und diese wiederum als eine biologische Reaktion auf ein als (im bedrohlichen Sinne) überwältigendes Ereignis zu erkennen, das man auch Trauma nennen kann. Ergänzend hierzu beziehe ich mich auf die Forschungen und Veröffentlichungen von Peter A. Levine, Biophysiker und Psychologe an der California University, Berkeley, der über Traumafolgen und ihre Überwindung geforscht und veröffentlicht hat. Siehe hierzu u.a.: Vom Trauma befreien, Kösel-Verlag, Trauma-Heilung, Synthesis-Verlag, Verwundete Kinderseelen heilen, Kösel-Verlag.
Sog. Traumata mit dem kleinen "t"
Für Peter A. Levine sind die auslösenden, d.h. das limbische System nachhaltig verändernden Ereignisse bereits die sog. Traumata mit kleinem „t“: Ereignisse, die den Betroffenen in erhöhte Erregung versetzen bei einem gleichzeitigen Gefühl der Lähmung, der Hilflosigkeit, der tiefen Scham, des Persönlichkeitsverlusts und des Ausgeliefertseins.
Dies sind Begebenheiten, die dem Menschen auf seinem Lebensweg durchaus immer begegnen können, in jungen Jahren allerdings in verstärktem Maße. Die Welt ist dann einfach besonders überwältigend.
Dass trotzdem nicht alle Menschen ständig „traumatisiert“ oder als schwere Prokrastinatoren durchs Leben gehen, wird als Ergebnis einer hilfreichen und natürlichen Gegensteuerung gesehen, die von selber oder durch Unterstützung eingeleitet werden kann, oder eben auch nicht.
Nicht das traumatische Erleben macht ein Trauma
Gemäß seinen Forschungen beschreibt Levine, dass Traumasymptome nicht aus dem traumatischen Erleben selbst entstehen, sondern durch erstarrte Energie, die nach dem Abklingen des traumatischen Erlebnisses nicht aufgelöst wurde. Solche Energierückstände bleiben im Nervensystem gebunden. Solche langfristig verbleibenden Schockenergien können dann Symptome entwickeln wie Angst, Depression, psychosomatische Störungen und Verhaltensprobleme, zu denen nicht zuletzt auch das Vor-sich-Herschieben all dessen gehört, was direkt oder indirekt die alten Schmerzgefühle wieder berühren und wiederbeleben kann – Schmerzgefühle, die aus so banal erscheinenden Hilflosigkeitsgefühlen wie etwa beim Zahnarzt, als Mobbingopfer, einer Gewalterfahrung, im Krankenhaus, in einer Heimweh-Situation oder bei einer Bloßstellung im Unterricht herrühren können.
Es verwundert also nicht, dass es typischerweise solche Szenarien sind, die später durch Aufschieben verzögert werden (sofern sie nicht gänzlich vermieden werden können).
Wie sich Schock-Energien auflösen können
Werden diese Gefühle sofort nach diesem Ereignis durch körperliche Reaktionen (Schreien, Weinen, Schlagen, erregtes Darüberreden, Weglaufen) wegagiert, wird das Erlebte leichter überwunden, als wenn alles regungslos und schweigend ins sich hineingefressen wird.
Wurde dieser wichtige Moment statt dessen versäumt oder verhindert ("Indianer weinen nicht!", "Stell' dich nicht so an!"), geht das Leben natürlich auch weiter, und die Zeit "heilt die Wunden" auf ihre Weise: Amygdalae und Hypocampus passen sich der veränderten Lage an, sodass künftige Situationen umso sorgfältiger auf eventuelle Gefährlichkeiten voruntersucht werden, Aktionen also zögerlicher freigegeben werden.
Prokrastination als Angstreaktion kann korrigiert werden
Auf solche Weise angelernte Übersensibilität, Zögerlichkeit oder Ängstlichkeit, und daraus resultierender Drang zum Vor-sich-Herschieben ist folgerichtig korrigierbar, so wie auch das Reaktionsmuster des Totstellreflexes korrigiert werden kann. Es kann also gelernt werden, dass Reaktionen nicht ausschließlich unwillkürlich und reflexartig erfolgen, und dass der Betroffene zu einer subjektiv und situativ stimmigen Lösung fähig wird.
(Der Erfolg von Fahrsicherheits- oder Schleudertrainings zeigt uns das am Beispiel ungeübter oder kontrollierter Autofahrer-Reflexe.)
Wer aufschiebt macht meist die Erfahrung, dass sich dieses Verhalten sich auf ganz bestimmte Verrichtungs-Themen bezieht, während andere (und in der Regel die allermeisten) ohne weitere Probleme vonstattengehen. Bereits aus der genauen Beobachtung dieser Modalitäten können sich erste Anhaltspunkte ergeben, wo der emotionale Ansatzpunkt für eine Veränderung des Aufschiebeverhaltens zu finden ist.
Herzliche Grüße
pro-cras
Danke für diesen, wie ich find ganz wichtigen Hinweis auf diese Studie. Sie bestätigt, dass Prokrastination zumindest in großen Teilen ein Angstsymptom ist, das sich aus dem Angstgedächtnis unseres Gehirns (limbisches System) nährt, und das (erst) dann wirklich verschwindet, wenn es von dieser Quelle wieder getrennt wird. Sie führt uns von der reinen Beschreibung des Phänomens zu den nutzbaren Wegen, es in den Griff zu bekommen.
Prokrastination als Traumafolge
Auch ich halte es für vertretbar und nützlich, die Ursachen für ängstlich aufschiebendes Verhalten einer substanziellen, d.h. organischen Veränderung in bestimmten Gehirnregionen zuzuschreiben, und diese wiederum als eine biologische Reaktion auf ein als (im bedrohlichen Sinne) überwältigendes Ereignis zu erkennen, das man auch Trauma nennen kann. Ergänzend hierzu beziehe ich mich auf die Forschungen und Veröffentlichungen von Peter A. Levine, Biophysiker und Psychologe an der California University, Berkeley, der über Traumafolgen und ihre Überwindung geforscht und veröffentlicht hat. Siehe hierzu u.a.: Vom Trauma befreien, Kösel-Verlag, Trauma-Heilung, Synthesis-Verlag, Verwundete Kinderseelen heilen, Kösel-Verlag.
Sog. Traumata mit dem kleinen "t"
Für Peter A. Levine sind die auslösenden, d.h. das limbische System nachhaltig verändernden Ereignisse bereits die sog. Traumata mit kleinem „t“: Ereignisse, die den Betroffenen in erhöhte Erregung versetzen bei einem gleichzeitigen Gefühl der Lähmung, der Hilflosigkeit, der tiefen Scham, des Persönlichkeitsverlusts und des Ausgeliefertseins.
Dies sind Begebenheiten, die dem Menschen auf seinem Lebensweg durchaus immer begegnen können, in jungen Jahren allerdings in verstärktem Maße. Die Welt ist dann einfach besonders überwältigend.
Dass trotzdem nicht alle Menschen ständig „traumatisiert“ oder als schwere Prokrastinatoren durchs Leben gehen, wird als Ergebnis einer hilfreichen und natürlichen Gegensteuerung gesehen, die von selber oder durch Unterstützung eingeleitet werden kann, oder eben auch nicht.
Nicht das traumatische Erleben macht ein Trauma
Gemäß seinen Forschungen beschreibt Levine, dass Traumasymptome nicht aus dem traumatischen Erleben selbst entstehen, sondern durch erstarrte Energie, die nach dem Abklingen des traumatischen Erlebnisses nicht aufgelöst wurde. Solche Energierückstände bleiben im Nervensystem gebunden. Solche langfristig verbleibenden Schockenergien können dann Symptome entwickeln wie Angst, Depression, psychosomatische Störungen und Verhaltensprobleme, zu denen nicht zuletzt auch das Vor-sich-Herschieben all dessen gehört, was direkt oder indirekt die alten Schmerzgefühle wieder berühren und wiederbeleben kann – Schmerzgefühle, die aus so banal erscheinenden Hilflosigkeitsgefühlen wie etwa beim Zahnarzt, als Mobbingopfer, einer Gewalterfahrung, im Krankenhaus, in einer Heimweh-Situation oder bei einer Bloßstellung im Unterricht herrühren können.
Es verwundert also nicht, dass es typischerweise solche Szenarien sind, die später durch Aufschieben verzögert werden (sofern sie nicht gänzlich vermieden werden können).
Wie sich Schock-Energien auflösen können
Werden diese Gefühle sofort nach diesem Ereignis durch körperliche Reaktionen (Schreien, Weinen, Schlagen, erregtes Darüberreden, Weglaufen) wegagiert, wird das Erlebte leichter überwunden, als wenn alles regungslos und schweigend ins sich hineingefressen wird.
Wurde dieser wichtige Moment statt dessen versäumt oder verhindert ("Indianer weinen nicht!", "Stell' dich nicht so an!"), geht das Leben natürlich auch weiter, und die Zeit "heilt die Wunden" auf ihre Weise: Amygdalae und Hypocampus passen sich der veränderten Lage an, sodass künftige Situationen umso sorgfältiger auf eventuelle Gefährlichkeiten voruntersucht werden, Aktionen also zögerlicher freigegeben werden.
Prokrastination als Angstreaktion kann korrigiert werden
Auf solche Weise angelernte Übersensibilität, Zögerlichkeit oder Ängstlichkeit, und daraus resultierender Drang zum Vor-sich-Herschieben ist folgerichtig korrigierbar, so wie auch das Reaktionsmuster des Totstellreflexes korrigiert werden kann. Es kann also gelernt werden, dass Reaktionen nicht ausschließlich unwillkürlich und reflexartig erfolgen, und dass der Betroffene zu einer subjektiv und situativ stimmigen Lösung fähig wird.
(Der Erfolg von Fahrsicherheits- oder Schleudertrainings zeigt uns das am Beispiel ungeübter oder kontrollierter Autofahrer-Reflexe.)
Wer aufschiebt macht meist die Erfahrung, dass sich dieses Verhalten sich auf ganz bestimmte Verrichtungs-Themen bezieht, während andere (und in der Regel die allermeisten) ohne weitere Probleme vonstattengehen. Bereits aus der genauen Beobachtung dieser Modalitäten können sich erste Anhaltspunkte ergeben, wo der emotionale Ansatzpunkt für eine Veränderung des Aufschiebeverhaltens zu finden ist.
Herzliche Grüße
pro-cras
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- Posts: 76
- Joined: Sat 17. Feb 2018, 21:53
Re: Artikel auf Science Alert - Are there Fundamental...
Ui, spannend!
Ich finde es toll, dass in diese Richtung geforscht wird. Danke für den Hinweis, JavaBohne!
@ Leonardo, Du schreibst:
@Blockflöte, für mein Empfinden ist keine Entschuldigung nötig, im Gegenteil: ich finde Deine persönlichen Schilderungen sehr erhellend, Dein Erleben passt ja hervorragend zu den Ergebnissen der Studie und zu dem, was pro-cras schreibt.
@pro-cras, vielen Dank für Deine interessanten Ausführungen u.a. zur (Langzeit-)Wirkung von Lebensereignissen bzw. dem Umgang damit! Das finde ich hochspannend und kann es z.T. gut auf eigenes Erleben übertragen.
Hierbei
Das sind methodische Überlegungen bezüglich der Handlungsveränderung im Außen. Wenn es um die Fragen nach dem Warum bzw. dem Grundwasser, das das allltäglich gleiche "Wie" speist, geht, dann werden wir vermutlich nicht drumherum kommen, weit nach innen zu gehen. Aber das gehört vielleicht weniger in diesen Thread, die Frage nach dem "Kern" des Ganzen hattest Du anderswo aufgeworfen...
Herzlich grüßt
die Trödeltrine
Ich finde es toll, dass in diese Richtung geforscht wird. Danke für den Hinweis, JavaBohne!
@ Leonardo, Du schreibst:
Oh ja, die gute alte Henne-Ei-Frage stellt sich mir auch, sie liegt meines Wissens schlicht in der Natur der Sache wenn es um's Gehirn geht.Es stellt sich mir nur die Frage nach der Henne und dem Ei: Prokrastinieren wir, weil unser Gehirn anders verschaltet ist oder ist diese Verschaltung erst eine Folgeerscheinung des Prokrastinierens?
Da stimme ich Dir völlig zu. Und selbst wenn nicht letzteres der Fall sein sollte, sondern wenn wirklich die Prokrastination aus einer abweichenden Verschaltung des Gehirns hervorgeht, spricht einiges dafür, dass die Strukturen veränderlich sind. Die Autorin des Forbes-Artikels schreibt ja auch:Falls letzteres der Fall sein sollte, ist völlig klar, dass wir das auch wieder rückgängig machen können.
Übrigens enthält der Forbes-Artikel damit in meinen Augen gleichermaßen Mutzuspruch ("the brain is very plastic and able to rewire") und Lösungsansätze ("repeated practice", Verhaltenstherapie im weiteren Verlauf des Textes). Wobei ich persönlich sogar den Mutzuspruch höher bewerten würde: ohne eine grundlegende Zuversicht würde ich mir die Suche nach Lösungsansätzen vermutlich von vornherein schenken."Just because a difference is visible in the brain doesn’t mean the associated behavior is unchangeable. In fact, there’s a neurological underpinning for just about every behavior we do — but, happily, the brain is very plastic and able to rewire, with repeated practice at something."
@Blockflöte, für mein Empfinden ist keine Entschuldigung nötig, im Gegenteil: ich finde Deine persönlichen Schilderungen sehr erhellend, Dein Erleben passt ja hervorragend zu den Ergebnissen der Studie und zu dem, was pro-cras schreibt.
@pro-cras, vielen Dank für Deine interessanten Ausführungen u.a. zur (Langzeit-)Wirkung von Lebensereignissen bzw. dem Umgang damit! Das finde ich hochspannend und kann es z.T. gut auf eigenes Erleben übertragen.
Hierbei
klingen bei mir gleich mehrere sehr konkrete Konzepte an, die zur Unterstützung dienen könnten: Sowohl die Inhibitiion ("Use of the Self", F.M.Alexander, auch Du hast den andernorts schon erwähnt) als auch das Habit Reversal Training und nicht zuletzt Aspekte des Achtsamkeitsansatzes im Rahmen von Verhaltenstherapie unter Nutzung von Elementen der Schematherapie (Modusmodell, Imaginationsübungen zu alternativen Verhaltensweisen etc....).Es kann also gelernt werden, dass Reaktionen nicht ausschließlich unwillkürlich und reflexartig erfolgen, und dass der Betroffene zu einer subjektiv und situativ stimmigen Lösung fähig wird.
Das sind methodische Überlegungen bezüglich der Handlungsveränderung im Außen. Wenn es um die Fragen nach dem Warum bzw. dem Grundwasser, das das allltäglich gleiche "Wie" speist, geht, dann werden wir vermutlich nicht drumherum kommen, weit nach innen zu gehen. Aber das gehört vielleicht weniger in diesen Thread, die Frage nach dem "Kern" des Ganzen hattest Du anderswo aufgeworfen...
Herzlich grüßt
die Trödeltrine
Schade, aber so ist's: Mit Beginn des Jahres 2019 verabschiede ich mich schweren Herzens aus dem Forum. Was ich schrieb, nehm' ich (größtenteils) wieder mit in der Hoffnung, einen passenderen Ort dafür zu finden.